Technische und handwerkliche Berufe sind körperlich anstrengend, zum Teil dreckig und sowieso eher etwas für Jungs: Solche oder ähnliche stereotypen Vorstellungen sind nach wie vor in den Köpfen vieler Menschen verankert. Frühe und kontinuierliche Sensibilisierung für moderne Berufsbilder ist extrem wichtig, gerade in Branchen mit MINT-Themenfeldern. Die Stiftung zur Förderung der Berufsbildung leistet hier wichtige Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit.
Elektroinstallateur:innen, Informatiker:innen, Automobil-Mechatroniker:innen: Das sind Beispiele von Berufen, die im Engadin im Rahmen einer Lehre erlernt und mit einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis EFZ abgeschlossen werden können. Doch was macht eine Elektroinstallateurin genau? Arbeitet ein Informatiker den ganzen Tag am Computer? Und ist die Arbeit als Automobil-Mechatronikerin körperlich anspruchsvoll? Viele Berufe sind zu wenig fassbar oder haben ein veraltetes Image. Was oft vergessen geht: Auch die handwerklichen Berufe befinden sich in einem steten Wandel. Vieles ist digitalisiert und automatisiert, das HANDwerk erhält eine ganz neue Dimension.
Tradition trifft auf Zukunft
Berufe wie Elektriker:in, Sanitär:in, Installateur:in oder Heizungsbauer:in werden oft als wenig attraktiv und wenig anspruchsvoll wahrgenommen. Diese Sichtweise ist heute jedoch völlig überholt. Der Wandel ist längst vollzogen. Die moderne Haustechnik hat sich zum Beispiel zu einem hochkomplexen Feld entwickelt, das digitale Steuerungen, nachhaltige Energiequellen und fortschrittliche Technologien integriert. Diese Berufe erfordern heute mehr denn je ein breites Spektrum an Fähigkeiten – von technischem Know-how über Problemlösungskompetenzen bis hin zu nachhaltigem Denken.
Sichtbarkeit schafft Wertschätzung
Die 2023 gegründete Stiftung zur Förderung der Berufsbildung im Engadin und den angrenzenden Talschaften hat sich dem Thema angenommen. Ein zentrales Anliegen der Stiftung ist es, diese Berufe sichtbarer und damit attraktiver zu machen. Gemäss Hanspeter Beerli, dem Stifter und Präsidenten der Stiftung, geht es darum, das Bild von der «veralteten Handarbeit» zu korrigieren und die modernen, zukunftsorientierten Aspekte dieser Berufe in den Vordergrund zu stellen. «Handwerkliche Berufe sind keineswegs Berufe von gestern – sie sind Berufe von morgen. Sie bieten jungen Menschen die Chance, aktiv an der Gestaltung einer nachhaltigen und technologisch fortschrittlichen Zukunft mitzuwirken.»
Das Berufsbildungstal Engadin als Modellregion
Beim Kickoff der Stiftung zur Förderung der Berufsbildung am 17. August 2024 in Samedan stand die Vision vom Berufsbildungstal Engadin im Mittelpunkt. Eines der zentralen Themen war die veränderte Sichtbarkeit und Attraktivität von Berufsbildern, beispielhaft dargestellt in den Bereichen der Haustechnik und am Beruf des Zimmermanns. «Die Diskussion zeigte, wie wichtig es ist, traditionelle Berufe neu zu betrachten und in einem modernen Licht darzustellen», so Beerli.
Doch wie kann die Verbindung von Tradition und Innovation gelingen? Durch gezielte Fördermassnahmen und eine moderne, zukunftsgerichtete Berufsbildung soll das Engadin zu einer Modellregion werden, in der traditionelle Berufsbilder in einem neuen, attraktiven Licht erscheinen. Es geht darum, jungen Menschen zu zeigen, dass sie in diesen Berufen nicht nur eine sichere, sondern auch eine erfüllende und zukunftsträchtige Karriere finden können. Hier können Projekte zur frühen Förderung des MINT-Interesses aufklären, Vorurteile abbauen und zu vermehrter Sichtbarkeit der entsprechenden Berufe beitragen.
Berufe für alle – jenseits von Stereotypen
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Attraktivität der Berufe für eine breitere Zielgruppe, vor allem Mädchen und junge Frauen. Viele dieser Berufe gelten traditionell als «Männerdomänen», doch diese Vorstellung ist veraltet. Die Digitalisierung und die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeit schaffen neue Arbeitsumfelder, die für eine breitere Zielgruppen interessant sind.
Die Diskussionen beim Kick-Off der Stiftung zur Förderung der Berufsbildung haben deutlich gemacht: Gemäss Beerli müssen die Berufsbilder in vielen Bereichen neu gedacht werden: «Es ist Zeit, die alten Stereotype zu überwinden und die Berufe so sichtbar zu machen, wie sie wirklich sind: anspruchsvoll, innovativ und für alle attraktiv. Nur so können wir die Talente von morgen gewinnen und eine nachhaltige, erfolgreiche Zukunft gestalten.»
Die Stiftung zur Förderung der Berufsbildung im Engadin und den angrenzenden Talschaften vertritt ein reales Zukunftskonzept, das kein «Fortschreiben des Jetzigen» darstellt, sondern etwas Zukunftsweisendes aus Sicht der Menschen von morgen. Sie kreiert eigens Visionen, Wege und Möglichkeiten zur Erhaltung und Weiterentwicklung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Region. Sie fördert neue Ideen und Innovationen. Sie sucht Lösungen für drängende Probleme im Bereich Berufsbildung und Fachkräfte-Zukunft.
Text: Hanspeter Beerli, Präsident Stiftung zur Förderung der Berufsbildung; Clelia Bieler, Co-Leiterin Bildungsinitiativen miaEngiadina, Geschäftsführerin Frau MINT.