Interview mit Walter Bernegger, Direktor und Leiter von EE-Energia Engiadina
Sind sie schon am Stelleninserate schreiben?
Nein, noch nicht, bislang haben wir noch genügend Mitarbeiter.
Aber wenn das Glasfasernetz kommt, brauchen sie mehr Leute oder?
Was das Glasfasernetz anbelangt, gibt es zwei verschiedene Stossrichtungen. Es ist vorgesehen, dass die Netzbetreiber (EE-Energia Engiadina, das EW Samnaun und die Repower) sich an der zu gründenden Netzgesellschaft beteiligen und in ihrem Gebiet die Glasfasern einziehen. Weiter ist eine eigenständige Verkaufsorganisation vorgesehen. In diesem Bereich wird man das benötigte Personal rekrutieren müssen.
Was den Aufbau des Netzes und den Kabeleinzug betrifft, so gehe ich davon aus, dass wir das mit dem bestehenden Personal bewältigen können.
Falls das Auftragsvolumen doch zu gross würde, könnten wir immer noch Leute suchen oder beispielsweise mit den am Projekt beteiligten, dem EW Samnaun oder mit Repower, zusammenarbeiten.
Sie gehen davon aus, dass das Glasfasernetz kommt?
Ja, davon gehe ich aus. Allerdings ist die Frage weniger, ob es kommt, sondern in welchem Umfang. In Scuol beispielsweise gibt es entlang der Hauptstrasse schon heute Häuser und Betriebe mit Glasfaseranschluss.
Betrachten sie die ganze Idee als realistisch?
Der Aufbau eines Glasfasernetzes im Unterengadin ist sicherlich realistisch, ja. Umso mehr als dies im Zuge des Ausbaus des Höchstspannungsnetzes von Scuol/Pradella nach La Punt geschehen soll. Bei diesem Ausbau wird ein neuer Kabelgraben für die 110 kV Leitung von Zuoz nach Pradella erstellt. Dabei lassen sich gleichzeitig Leerrohre verlegen, in die wir später auch die Glasfaserkabel einziehen können.
Das kommt dann günstiger als wenn sie die Leitungen extra eingraben müssten?
Ja, denn die "Corporaziun Energia Engiadina" (CEE) hat ein Abkommen mit Swissgrid, welches ihr erlaubt, ein Leerrohr für 15 Fr. pro Laufmeter in diesem Kabelgraben zu beziehen. So ergibt das einen Gesamtpreis für die Glasfaserfernleitung von ca. 1.5 Mio. Fr. Müssten wir alles selber graben, käme dies auf ca. 10.5 Mio. Fr.
Und wie kommt ein Internetanschluss über die Glasfaser von der Fernleitung zu den einzelnen Haushalten?
Dazu braucht es einen Breitbandanschluss mit einer hohen Kapazität bei einem Internetprovider. Da die entsprechenden Anschlusskosten im Engadin bedeutend höher sind als in Landquart oder Chur, hängt es von der benötigten Bandbreite ab, ob es wirtschaftlicher ist, diesen Dienst lokal zu beziehen oder über gemietete Glasfasern ab der Fernleitung in Chur oder Landquart.
Wie geschieht die Verteilung an Haushalte?
In grösseren Gemeinden können wir eine eigene Aktivzentrale einrichten und von dieser Zentrale direkt die Häuser erschliessen. Dies wenn möglich über bestehende, verrohrte Elektrokabelanschlüsse oder mittels vorhandenen Leerrohren. Die Anschlüsse in den kleineren Fraktionen werden mittels Glasfasern in der Fernleitung zur nächstgelegenen Aktivzentrale verbunden.
Sind die Voraussetzungen in allem Gemeinden gleich?
Nein. Es gibt Gemeinden, die haben viele Leerrohre wo sich die Kabel problemlos einziehen lassen. In Gemeinden, die das nicht haben, müssten die Rohre extra vergraben werden, was bedeutend höhere Kosten zur Folge hat.
Sie haben zu Beginn von der Verkaufsgesellschaft gesprochen, was wäre deren Aufgabe?
Deren Aufgabe wäre es, die Internetanschlüsse zu verkaufen. Weiter ist geplant, dass diese Verkaufsgesellschaft von mia Engiadina mit eigenen sowie auch mit Angeboten von Dritten auf dem Markt auftritt, um die benötigten Dienste zu verkaufen.
Jon Erni beziffert das Auftragsvolumen des Glasfasernetzes auf 50 Mio. Fr. und sie schaffen einen solchen Grossauftrag?
Bestimmt. Auch deshalb, weil wir die 5000 Nutzungseinheiten, welche der Berechnung zu Grunde liegen nicht von Anfang an anschliessen werden. Zu Beginn planen wir mit dem Anschluss von rund 2500 Nutzungseinheiten, was einem Volumen von 20 Mio. Fr. entspricht.
Momentan darbt die Baubranche wegen der Zweitwohnungsinitiative, wäre denn das Glasfasernetz eine Möglichkeit, diesen Verlust etwas zu kompensieren?
Das neue Netz kann einen Teil des Verlustes auffangen, aber sicher nicht alles, was in den letzten Jahren verbaut worden ist.
Gehen wir davon aus, dass wir in den ersten 5 Jahren ein Tiefbauvolumen von ca. 10 Mio. Fr. vergeben werden, dann entspricht das alle 3 Jahre einem Haus pro Gemeinde.
Aber es könnte ein erster Schritt in eine neue Richtung sein?
Das Glasfasernetz kann durchaus zu einem weiteren Standbein im Unterengadin werden. Einerseits weil verschiedene hiesige Unternehmen Aufträge dazu ausführen können und dies unabhängig vom Bau und Tourismus.
Kann es auch Impulse für den Tourismus geben?
Das Netz wird den Tourismus unterstützen, dank dem virtuellen Hotel, das geplant ist. Das ist eine Plattform, auf der Gäste alles buchen können, von der Wohnung oder dem Zimmer, über den Transport bis hin zu Freizeitaktivitäten. Und das Gute daran ist, dass davon nicht nur Touristen profitieren, sondern dank dem Ansatz «Your first third place – Teis prüm terz lö» auch Unternehmen aus dem Unterland. Demnach sollen Firmen aus dem Unterland einen Teil ihrer Mitarbeitenden für eine Weile ins Unterengadin auslagern, wo sie arbeiten können und gleichzeitig auch die Gegend erkunden und kennenlernen, dank dem virtuellen Hotel.
Und wer weiss vielleicht sind dann darunter auch Menschen, die gerade deshalb ins Engadin ziehen wollen.
Als Erbauer des Glasfasernetzes für das Unterengadin wirkt die EE-Energia Engiadina als Pionierin, wie fühlt man sich da?
Wir sind keine Pioniere, denn diese Art von Netz gibt es auch schon an anderen Orten, zum Beispiel in den meisten Städten und auch im Oberwallis. Was wir aber möchten, ist, den digitalen Graben zum Unterland schliessen oder auch zu anderen touristischen Regionen.
Welche denn?
Zum Beispiel zum Tirol, die sind da schon weiter und haben die überregionalen Leerrohre sogar gratis zur Verfügung.
Wie sieht der Zeitplan aus?
Als Pilotprojekt erschliessen wir 10 bis 12 mia Engiadina Partner in Scuol mit Glasfasern. Die Netzgesellschaft wird bald gegründet und bis Ende 2016 sollte der Bauentscheid gefällt werden. Dann geht es darum, Privatkunden in Gemeinden mit günstiger Ausgangslage zu akquirieren. Und bis 2020 sollte die Fernleitung Zuoz-Pradella fertig gebaut sein. Zudem ist geplant, im Verlauf von 2016 einen wesentlichen Teil der Gemeinden von Samnaun bis La Punt mit den ersten Public WLAN Hotspots auszurüsten. An zentralen und öffentlichen Orten der einzelnen Gemeinden wird dann kostenloses Surfen mit hoher Geschwindigkeit möglich sein.
Doch wichtig sind nicht nur die Leitungen, sondern vor allem gute Angebote.
Wie profitieren die Einheimischen von diesem Angebot?
Sie haben dann eine schnellere Internetverbindung zu konkurrenzfähigen Preisen, also zu solchen, wie sie im Unterland bezahlt werden. Dies ist heute nicht der Fall.
Worin sehen Sie die entscheidenden Erfolgsfaktoren in Ihrem Glasfaserprojekt?
Wichtig ist einmal die Konkurrenzfähigkeit mit den Angeboten der Swisscom und der anderen Anbieter. Mit dem Ansatz „Your first third place – Teis prüm terz lö“ könnte endlich ein vom Tourismus unabhängiges weiteres Standbein geschaffen werden. Dies, weil die Leute dann auch zum Arbeiten in die Region kommen und nicht allein, um die Ferien zu verbringen. Zudem ermöglicht das Projekt, bestehende, heute ungenutzte Räume oder Gebäude neu zu aktivieren.
Welche Ziele verfolgen Sie mit der openaxs FTTH Conference?
Der Verband openaxs zeigt schweizweit auf, warum die Glasfasertechnologie die richtige Lösung ist und was sie für uns alle bedeutet. Mit der Konferenz in Scuol soll vor allem den einheimischen Unternehmungen die Thematik näher gebracht und der Nutzen der Breitbanderschliessung für eine periphere Region aufgezeigt werden.
Was erhoffen sie sich persönlich von der Konferenz?
Ich freue mich auf den Gedankenaustausch mit jenen, welche diese Projekte bereits umgesetzt haben und möchte von deren Erfahrungen profitieren. Denn schliesslich ist die schnellere Kommunikation die Voraussetzung für das virtuelle Hotel.
Weiter möchte ich auch noch mehr darüber erfahren, wie sich die Daten vermarkten liessen, respektive was wir mit dem Netz alles erreichen können. Den das Netz ist das eine, wichtiger aber ist, was damit gemacht werden kann. Toll finde ich, dass der Handels- und Gewerbeverein Unterengadin mitwirkt und dessen Mitglieder so von dieser einmaligen Möglichkeit der direkten Informationsbeschaffung profitieren können.
Wie ist die Reaktion des lokalen Gewerbes auf die anberaumte Konferenz?
Der Vorstand des HGV hat den Faden sofort aufgenommen und ist sogar ins Unterland gereist, um sich näher zu informieren und um die Konferenz zusammen mit den Vertretern von openaxs im Detail vorzubereiten. Es wird sicher ein toller, zukunftsweisender Anlass für die Region.
Der Verband openaxs legt seinen strategischen Fokus auf die Erschliessung von Landgebieten. Zurecht?
Unbedingt, denn nur so gelingt es, die digitale Zweiklassengesellschaft zu überwinden. Nur mit der Erschliessung von Landgebieten kann gewährleistet werden, dass diese in der rasanten digitalen Entwicklung nicht das Nachsehen haben und noch mehr ins Abseits geraten. Und das ist überlebenswichtig, gerade für Randregionen wie das Unterengadin
Apropos digitale Entwicklung und ständige Erreichbarkeit, wie sieht das bei ihnen aus?
Wenn ich frei habe, versuche ich den Computer nicht einzuschalten, das Handy aber habe ich immer dabei, damit ich in einem Notfall erreichbar bin. Aber auch, damit ich Informationen oder Freizeitangebote runterladen kann.
Wann haben sie das letzte Mal einen Tag lang weder Handy noch Computer gebraucht?
Das weiss ich nicht mehr, daran kann ich mich nicht erinnern.
Walter Bernegger ist Direktor und Leiter von EE-Energia Engiadina. Die Gesellschaft verlegt sämtliche elektrische Leitungen im Unterengadin und soll dann auch das Glasfasernetz einziehen.