Afke Schouten leitet an der Hochschule für Wirtschaft Zürich die Ausbildungsgänge im Management von künstlicher Intelligenz. Daneben besitzt sie ihre eigene Firma, die Unternehmen im Bereich Data Science berät. Vor Kurzem hat sie ihren Firmensitz nach Scuol verlegt und nutzt seither den Mountain Hub als primären Arbeitsort.

Afke, du hast in den Niederlanden Mathematik und Ökonometrie studiert. Anschliessend hast du bei internationalen Beratungsunternehmen gearbeitet. Was hat dich nach Scuol gezogen?

Meine Schwiegereltern besitzen eine Ferienwohnung in Scuol, deshalb komme ich schon seit einigen Jahren hierher. Vor Coronatimes waren mein Partner und ich auf der Suche nach einem geeigneten Ort in den Bergen fürs Wochenende. Damals kam Scuol für uns noch nicht in Frage, da wir dachten, dass es für kürzere Aufenthalte zu weit weg sei. Wir haben verschiedene Orte ausprobiert, doch jedes Mal mussten wir feststellen, dass «es nicht Scuol ist». Dann kam das Coronavirus und sobald es uns erlaubt war, zogen wir in die Ferienwohnung nach Scuol. Wir merkten, dass sich die Welt verändert hatte – die Menschen haben sich daran gewöhnt, digital zu arbeiten, und müssen nicht mehr die ganze Zeit physisch zusammen sein. Das bedeutet, dass wir die einmalige Gelegenheit haben, unseren Lebensstil zu verändern und einen Grossteil der Zeit in Scuol zu verbringen. In die Stadt reisen wir nur noch, wenn ein besonderer Bedarf besteht.

Wie vereinbarst du Arbeiten in Zürich und Scuol? Was sind die Voraussetzungen, dass dies möglich ist?

Für meine Arbeit an der Hochschule für Wirtschaft muss ich ungefähr alle zwei Wochen in Zürich sein, den Rest meiner Arbeit kann ich aus der Ferne erledigen. Ich fahre mit dem Zug hin und her, damit ich unterwegs telefonieren oder am Laptop arbeiten kann. Die Internetverbindung ist grossartig. Vor kurzem war ich zwischen Klosters und Scuol in einer Videokonferenz im Zug und jemandem fragte: «Wo bist du, dass deine Internetverbindung so gut ist?» Nun, ich konnte ihm voller Freude sagen, dass ich im Engadin war.
Ich bin eine sehr soziale Person und brauche regelmässig persönliche Interaktion. Der Coworking Space in Scuol eignet sich hervorragend, um Gleichgesinnte zu treffen oder Leute einzuladen, ebenfalls von dort aus zu arbeiten. Mit meiner eigenen Firma kann ich meine Arbeitszeit selbst planen und diese Flexibilität hilft mir bei meinem neuen Lebensstil sehr.

Mit AI Bridge berätst du Organisationen im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Um welche praktischen Anwendungen handelt es sich dabei?

Mit meiner Arbeit helfe ich Unternehmen, sich auf die künstliche Intelligenz vorzubereiten. Ich helfe ihnen zum Beispiel dabei, den richtigen Anwendungsfall zu finden. Und sobald wir aus verschiedenen Ideen die beste priorisiert haben, beginnen wir mit der Ausarbeitung des Anwendungsfalls. Natürlich geht es auch darum, die verschiedenen Rollen zu definieren: Welche Fähigkeiten braucht das Unternehmen, um solche Anwendungsfälle umzusetzen? Man kann so etwas ziemlich kompliziert machen, doch ich bevorzuge es, klein anzufangen und mit der Zeit besser zu werden.

Wie könnten Engadiner Organisationen vermehrt künstliche Intelligenz nutzen? Welche Anwendungsbereiche siehst du?

Überall dort, wo Daten gesammelt werden, besteht die Möglichkeit, künstliche Intelligenz einzusetzen. In einem ersten Schritt sollte mit der Digitalisierung begonnen werden, in einem zweiten Schritt mit dem Sammeln und Speichern von Daten und danach mit der Automatisierung bestimmter Prozesse. Sobald Unternehmen diesen Zustand erreicht haben, können sie nach Anwendungsfällen für künstliche Intelligenz suchen.
Zum Beispiel in der Tourismusbranche sehe ich grosses Potenzial. Eine Anwendung künstlicher Intelligenz, die viele von uns bereits kennen, sind Empfehlungssysteme. Ähnlich wie bei den personalisierten Anzeigen grosser Online-Händler könnte auch die Tourismusbranche ihren Gästen massgeschneiderte Pakete vorschlagen. Ebenfalls könnten Restaurants, Veranstaltungen und Aktivitäten den richtigen Personen zum richtigen Zeitpunkt empfohlen werden.

«Ich würde mir wünschen, dass das Engadin ein Treffpunkt für KI-Praktiker wird, um gemeinsam neue Ideen zu entwickeln.»

Ich bin überzeugt, dass sich gerade im Engadin die Möglichkeit bietet, sich zusammenzuschliessen und den Konsumenten eine hervorragende Erfahrung zu bieten. Auf diese Weise werden mehr Touristen in die Region kommen und davon profitieren am Ende alle. Ich würde mich freuen, mit meiner Firma einen Teil dazu beitragen zu können.
Ausserdem würde ich mir wünschen, dass das Tal ein Treffpunkt für KI-Praktiker wird, um gemeinsam neue Ideen zu entwickeln. Das Innovationszentrum in La Punt wird dafür prädestiniert sein, aber auch die Coworking Spaces von miaEngiadina im Unterengadin spielen eine wichtige Rolle. Am Abend darf natürlich eine entspanntes Bad im Bogn nicht fehlen und am Wochenende ist Schneeplausch angesagt!

Interview

Dr. Béatrice Miller, Kommunikation und Bildungsinitiativen bei miaEngiadina