Fadri Mosca ist Oberstufenlehrer in Scuol und setzt sich stark für einen zeitgemässen, digitalen Unterricht ein. Was sind die Beweggründe des ehemaligen Snowboard-Weltmeisters und wie steht er zum Fernunterricht?
Fadri, weshalb engagierst du dich so intensiv für das neue Fach «Medien und Informatik»?
Eigentlich bin ich eher zufällig in diese Rolle reingerutscht. Seit ich vor zwölf Jahren die Stelle als Sekundarlehrer in Scuol angetreten habe, unterrichte ich dieses Fach. Es ist ja nicht völlig neu, es hat mit dem Lehrplan 21 einfach viel mehr Gewicht bekommen. Neben dem Unterricht war ich zusammen mit unserem Schulleiter auch immer für den IT-Support an unserer Schule zuständig. Zu Beginn machten wir das so nebenbei, seit zwei Jahren habe ich ein kleines Pensum dafür. Im Rahmen dieser Aufgabe vertrete ich die Unterengadiner Schulen in einer Arbeitsgruppe, die dank der Finanzierung durch die Patenschaft für Berggemeinden Unterrichtsmaterial für die Region anschaffen kann. Grundsätzlich interessiere ich mich sehr für die digitalen Möglichkeiten und Entwicklungen, bin aber kein echter Computerfreak.
Welche Voraussetzungen braucht es für einen guten digitalen Unterricht? Wo liegen die Knackpunkte?
Voraussetzungen sind ein schnelles, stabiles WLAN und eine gute Zusammenarbeitsplattform. Jede Schülerin und jeder Schüler braucht ein Gerät, das sehr schnell einsatzbereit ist. Und nicht zuletzt braucht es Lehrpersonen, die auf der Höhe der Technik sind und wissen, wie man mit Hilfe der digitalen Möglichkeiten einen Mehrwert für das Lernen der Schüler erzielt. Wir hatten das Glück, dass Jon Erni mit miaEngiadina sehr aktiv und visionär gehandelt hat. So kam die Glasfaserleitung ins Unterengadin, interessierte Schulen haben Office 365 und die Kollaborationsplattform miaScoula erhalten und politisch wurden beträchtliche Beträge freigemacht, um das Ganze umzusetzen.
Die grössten Knackpunkte sind bei uns behoben. Auch die Mehrheit der Lehrpersonen haben wir mit ins Boot geholt. Kleinigkeiten, die behoben werden müssen, passieren aber immer wieder: Mal vergisst eine Firma Zertifikate zu erneuern, mal funktioniert das Gerät eines Schülers nicht, dann gibt es ein Update, das Auswirkungen auf ein anderes System hat, und so weiter.
Im März 2020 mussten die Schweizer Volksschulen erstmals auf Fernunterricht umstellen. Welche Erfahrungen hast du mit dem Fernunterricht gemacht?
Auch unsere Schule wurde da ins kalte Wasser geworfen. Wir hatten zwar das schnelle WLAN und die miaScoula-Plattform, aber noch keine 1-zu-1-Lösung für die SchülerInnen. Einige von ihnen mussten wir mit Schulgeräten ausstatten und wir Lehrer mussten zum Teil radikal umdenken. Der normale Schulzimmerunterricht funktioniert online nur bedingt.
Ingesamt war es eine sehr interessante Zeit und vermutlich die beste Weiterbildung im digitalen Bereich überhaupt. Auf einmal mussten sich alle Lehrpersonen wirklich mit der Thematik auseinandersetzen. Auch ich habe sehr viel gelernt.
Zum Glück hat auch das Schuldepartement des Kantons sehr weise reagiert und allen Schulen zwei Wochen Zeit für die Umstellung gegeben. Wäre das nicht der Fall gewesen, wäre alles sehr chaotisch geworden mit vielen frustrierten Lehrpersonen und SchülerInnen. Insgesamt war es aber eine sehr positive Erfahrung. Wir haben als Schule gemerkt, dass wir Fernunterricht machen können und dass ein grosser Teil der SchülerInnen auch zuhause sehr gut und gewissenhaft lernt.
Gibt es positive Aspekte des Fernunterrichts, die deine Schule nach dem ersten Lockdown beibehalten hat?
Die Möglichkeiten von Onlineschaltungen haben wir beibehalten und versuchen da alle Möglichkeiten auszunützen: SchülerInnen, die auf einen Test warten, in Quarantäne sind oder nur leicht krank sind, werden einfach in den Unterricht dazugeschaltet. Mit eingeschalteter Kamera können sie sich wie die anwesenden SchülerInnen mündlich am Unterricht beteiligen oder Fragen stellen. Auch bei Experimenten können sie dabei sein, zum Beispiel wenn die Klasse Herzen seziert. Ein anderer Schüler kann dann das Geschehen filmen.
Umgekehrt hatten wir auch schon Lehrpersonen, die zuhause bleiben mussten und von zuhause aus die SchülerInnen im Klassenzimmer unterrichtet haben. Vor dem Lockdown wären wir wohl nie auf diese Idee gekommen. Auch die Programme Teams und OneNote, die wir während des Lockdowns vermehrt benutzt haben, werden von unserer Lehrerschaft weiterhin rege eingesetzt. Persönlich bin ich vor allem von OneNote begeistert.
Die Patenschaft für Berggemeinden hat Unterrichtsmaterial finanziert. Welches Material steht den Engadiner Schulen neu zusätzlich zur Verfügung und wie lernen die Lehrpersonen dieses einzusetzen?
Wir wollten die Gelder der Patenschaft für Berggemeinden möglichst nutzbringend einsetzen. Deshalb haben wir uns gefragt: Was bringt den SchülerInnen am meisten? Und was haben die Schulen noch nicht? Es war ziemlich naheliegend, Roboter und 3D-Drucker anzuschaffen, denn Computer und Tablets waren in allen Schulen bereits vorhanden. Neu stehen den Unterengadiner Schulen Blue Bots für den Kindergarten, Lego Spikes für die Primarschule und Lego Mindstorm für die Oberstufe zur Verfügung. Dies in einer Zahl, mit der man auch etwas grössere Projekte durchführen kann. Sobald eine Schule Bedarf anmeldet, wechseln die Roboter ganz unkompliziert von einer Schule zur anderen.
Ganz neu haben wir für die Oberstufe 3D-Drucker zur Verfügung, die auch lasern und fräsen können. Mit diesen Techniken können die SchülerInnen nun erste Erfahrungen sammeln. Wir organisieren Weiterbildungen für Lehrerpersonen aus dem Tal und haben eine IT-Kompetenz-Gruppe gebildet, in der Spezialisten ihr Wissen in kleinen Workshops weitergeben. Die Workshops waren bis anhin sehr lehrreich und haben Spass gemacht.
Video zu miaScoula
Zeitgemässer, digitaler Unterricht am Beispiel der Schulen Scuol und Samedan ‒ mit Fadri Mosca und weiteren Lehrpersonen sowie mit Schülerinnen und Schülern.
Interview und Kontakt
Dr. Béatrice Miller, Leiterin Kommunikation und Bildungsinitiativen bei miaEngiadina